Ein weiterer Disney-Film, der neu aufgelegt wird, löst bei mir erst einmal eine grundsätzliche Skepsis aus - und in diesem Falle hier brauchte es fast eine Dreiviertelstunde, bis ich diese Skepsis habe ablegen können. Oder anders gesagt: Mir taugt diese Neuverfilmung erst mit dem Erscheinen von Will Smith als Dschinni, denn der bringt richtig Fuego in die bis dahin doch arg übersüßte Geschichte, deren Hauptfiguren Aladdin und Jasmin akzeptabel bis blass performen. Der im Vorfeld ziemlich stark kritisierte Smith agiert hier mit einer Spielfreude, die ich relativ lange nicht mehr von ihm gesehen habe, sein erster musikalischer Beitrag rockt die Höhle und ist meines Erachtens der ganz klar beste, rhythmischste und coolste Track dieser Neuverfilmung und sorgt in "Personal"union mit dem fliegenden Teppich dafür, dass immerhin zwei Akteure dieses Films reichlich Witz in den ansonsten doch eher bemüht wirkenden Cast bringen. Meines Erachtens ist auch das zweite Drittel von "Aladdin" ganz klar der stärkste Teil, ansonsten dominieren zu sehr Kitsch und Bombast bei relativ wenig Substanz.
Und damit bin ich auch bei den Problemen: Mena Massoud spielt die Titelfigur in einer mich ermüdenden Durchschnittlichkeit und bleibt in erster Linie mit seinem Dauerlächeln in Erinnerung - nicht uncharmant, aber ein wenig lasch. Jasmin (Naomi Scott) wird gut gespielt, aber ein wenig zu forciert in die Rolle der modernen Powerfrau gedrückt, was ich der Figur nicht wirklich habe abnehmen können - ist aber vielleicht Geschmackssache, ob man dieses modernere Frauenbild als anbiedernd oder zeitgemäß empfindet. Marwan Kenzari als Bösewicht Jafar allerdings ist eine komplette Fehlbesetzung und scheitert kläglich an seiner Aufgabe, die boshaft-durchtriebene Aura seines Charakters auch nur ansatzweise authentisch rüberzubringen. Da hat sein Papagei auf der Schulter leider wesentlich mehr zu bieten als er - und das ist echt schlecht, wenn der einzige genuine Antagonist eine solche Luftnummer ist wie hier. Die Besetzung hätte unterm Strich also deutlich runder ausfallen können.
Auf jeden Fall schwierig ist auch das gesamte Set-Design, das zwar prunkvoll und ästhetisch daherkommt, aber für mich einfach eine Spur zu süßlich und quietschbunt aussieht. Die meisten Songs sind bei mir relativ wirkungslos verpufft, auch wenn die Tanzeinlagen teilweise richtig gut geworden sind - mir fehlte oftmals die tonale Power, insbesondere die Balladen sind hier sehr oft dünn dahingesungener Schmalz ohne echten Esprit. Schade.
Unterm Strich würde ich sagen, dass man sich "Aladdin" anschauen kann. Auch auf die Gefahr hin, mich damit bei Vielen unbeliebt zu machen, ist für mich Will Smith als Dschinni das wirkmächtigste Argument für diesen Film, denn er interpretiert diese Figur eigen, aber mit großer Passion und sticht in einem sonst überwiegend behäbigen, teils überfordert wirkenden Cast überdeutlich hervor, öffnet die Tür zu einem unterhaltsamen Film und sorgt dafür, dass die lasche Liebesgeschichte ebenso erträglich scheint wie der komplett fehlbesetzte Jafar. Einige Szenen sind sehr gewitzt, der Film versucht sich zumindest daran, "Aladdin" als Realfilm anders zu erzählen als das Zeichentrick-Original von 1992. Ich kann nicht sagen, dass ich es bereue, den Film gesehen zu haben - denke aber auch nicht, dass ich ihn noch einmal schauen werde.