Dieser aktuell bei Netflix zu findende Film hat eine formidable Starriege (u.a. DiCaprio, Lawrence, Hill, Blanchett, Streep, Rylance, Perlman und Ariana Grande) sowie ein brandaktuelles Thema zu bieten: Wie reagiert die Menschheit, vornehmlich die USA, auf die wissenschaftliche Expertise, dass ein riesiger Komet mit 99,8-prozentiger Wahrscheinlichkeit geradewegs auf die Erde zurast und in einem halben Jahr die Menschheit vernichten wird? Und spätestens seit dem Klimawandel und Corona wissen wir, dass Teile der Wahrheit aus "Ignoranz", "Egoismen" und "Verschwörungsmythen" bestehen müssen. Teile der Wahrheit. Und damit komme ich gleich zu meinem größten Kritikpunkt an "Don't Look Up".
Allem Kulturpessimismus zum Trotz macht es sich der Streifen nämlich meines Erachtens doch etwas sehr einfach damit, die komplette Öffentlichkeit bis auf einen NASA-Mann und die von DiCaprio und Lawrence verkörperten Charaktere zu dummdreist-dekadenten Vollidioten zu degradieren, die nur an den eigenen Vorteil denken (trumpeske US-Präsidentin mitsamt Anhang), von wirren Tech-Visionen und dem eigenen Größenwahn geblendet sind (Jobs- / Musk-Verschnitt), aus dem eigenen televisionären Vakuum kognitiv gar nicht mehr ausbrechen können (TV-Moderatoren) oder nur darauf bedacht sind, das Social-Media-Publikum regelmäßig mit neuen Nichtigkeiten aus dem eigenen Glitzernägel-Leben zu füttern (u.a. Ariana Grande). Das gibt es alles, genauso, wie es weltfremde Wissenschaftler gibt, die wegweisende Forschungsergebnisse präsentieren könnten, aber in der öffentlichen Kommunikation ihrer Forschung versagen - aber die Öffentlichkeit auf diese Stereotypen zu beschränken, ist mir zu einfach. Auch in einer Satire kann man das intelligenter und vielschichtiger lösen, was ich von einem herausragenden Genre-Vertreter auch erwarte. Und das schafft Adam McKay hier meiner Meinung nach nicht.
So, genug gemeckert, denn der Rest ist stark. Mit gut zwei Stunden Laufzeit ist man vielleicht minimal über das Ziel hinausgeschossen, aber vor allem in der ersten Stunde wird einem hier wirklich ein Feuerwerk an guten bis sehr guten Gags dargeboten, das mich immer wieder zum Grinsen gebracht hat. So überzeichnet die Hohlbratzigkeit der Figuren in ihrer Gänze und vor allem aufgrund des weitgehenden Ausbleibens einer vernunftbegabten Gegenöffentlichkeit auch sind, fühlt man sich bei all den Trumps, Guru-ähnlichen Tech-Visionären, Celebrity-Moderatoren, Verschwörungsschwurblern und Social-Media-Püppchen dann doch sehr vertraut - und diese intellektuellen Tiefflieger inmitten einer hemmungslos überkapitalisierten westlichen Welt sind für sich genommen auch alle verdammt realitätsnah. Und fantastisch gespielt sind die Figuren natürlich auch, was bei diesem Star-Ensemble beinahe schon müßig zu erwähnen ist. Für mich persönlich ist neben DiCaprio vor allem Rylance als CEO extrem überzeugend, der nur noch mit "positiven Menschen" kommunizieren möchte - sein verklärt-debiles Dauergrinsen und seine wirren Visionen entsprechen ziemlich genau meiner Wahrnehmung dieser sich selbst überhöhenden Steinreich-Gurus.
Alles in allem ist "Don't Look Up" für mich ein Film, der es schafft, die Pole bei unseren öffentlichen Debatten über existenzielle Probleme unserer Zeit abzubilden: Hier die mahnenden Wissenschaftler, die nicht durchdringen und dort die Menschen gewordenen Entartungen unserer Wohlstandsgesellschaft. Es ist sehr unterhaltsam, es bleibt einem oft das Lachen im Halse stecken, weil man sich an die Realität erinnert fühlt und man kann sich am Ende des Filmes über die dekadenten Doofdeppen erheben - womit der Streifen meines Erachtens den leichten Weg geht. Die Zwischentöne fehlen weitgehend, die noch vernunftbegabte, aber träge oder von den Leiden und dem Stress des alltäglichen Arbeitslebens gezeichnete Bevölkerung fehlt einmal mehr, intelligente und nach Versachlichung strebende Bekanntheiten ebenso - und damit wahrscheinlich eben doch der Großteil inmitten der schillernden Pole. Das finde ich schade und macht McKays Streifen eben doch nur zu einem leicht verdaulichen und spaßigen Filmchen, das mit starker satirischer Überspitzung agiert.
Knappe 5 noch.