In meinem Bestreben, aus den 400 Prequels, Sequels und sonstigen Wiederverfilmungen altbekannter Franchises die wenigen Filme rauszugreifen, die noch ein wenig nach Ambition, etwas Neues zu kreieren, bin ich in den letzten Monaten immer wieder mal auf diesen Filmtitel hier gestoßen - der zu meiner Freude auch noch aus dem von mir so geliebten Horror-Genre stammt. Der Trailer klang gar nicht mal so spannend, denn man sah dort vorrangig Jugendliche, die zu einer einbalsamierten Hand "Talk to me" sagten und dann... naja, Geister, Dämonen, Candyman, rabimmelrabammelrabumm und dreimal schwarzer Kater, kennt man halt alles. Umso erfreuter bin ich, dass der Film über die gesamten 95 Minuten doch viel mehr kann, als ich danach erwartet hatte und einmal mehr zeigt, dass man Trailer oft in die Tonne kloppen kann.
Besonders stark an diesem Film finde ich, welch wohl nuancierte Abfolge aus harten (also richtig harten) Schockmomenten und sehr ruhigen, dramenartigen Szenen er zu bieten hat - und wie gut er beide Seiten rüberbringt. Ich würde mich nach meiner *hust* jahrzehntelangen Erfahrung im Horrorfilm-Konsum *hust* schon eher als hartgesotten bezeichnen, mich kriegste weder mit einem 0815-Jumpscare noch mit viel Filmblut oder großem Getöse so leicht in den Ekel oder Grusel. Hier musste ich mich in zwei Szenen aber sehr, sehr doll zusammenreißen, um nicht wegzuschauen und eine weitere Szene (ich sag nur: Füße) war... anders bemerkenswert. Und doch gibt es auch genügend Momente, in denen man mehr über die Figuren und die Dämonen in ihrem Kopf, die keine Hand künstlich heraufbeschworen hat, erfährt - und das ist wichtig, um sie nicht nur als egales cineastisches Nutzvieh zu empfinden, die dann eben zeitnah dem nächstbesten Dämon zum Opfer fallen.
Nein, was den Tiefgang anbelangt, ist "Talk to Me" kein zweites "Hereditary", das in seiner grandiosen ersten Hälfte fast ausschließlich als Charakterdrama daherkam und in dem Toni Collette und Milly Shapiro grandios aufspielten. So weit geht man hier nicht, hat aber dafür andere Qualitäten, etwa einen "cooleren" Soundtrack, deutlich mehr Kurzweil (ich habe mich keine Sekunde lang gelangweilt) und schafft insgesamt einfach ein "inklusiveres" Horror-Erlebnis, das weder rein unterhaltungsaffine Genre-Fans noch Menschen, die durchdachte Dialoge, glaubwürdige Handlungsstränge und authentische Darsteller brauchen, um sich auf einen Film einzulassen, die Freude an dem Film nimmt. Und das ist deutlich mehr, als ich vom Regiedebüt zweier YouTuber erwartet hätte.
Ich habe erst nach Schauen des Films erfahren, dass auch hinter diesem Streifen mal wieder die Teufelskerle von A24 stecken und er jetzt schon mit rund 92 Mio. US-Dollar Einspielergebnis bei einem Budget von knapp 5 Mio. jetzt schon einer ihrer größten Erfolge ist. Es sei ihnen gegönnt, denn "Talk to Me" kann richtig schocken, ohne dabei allzu stumpfsinnig zu wirken und setzt sich bei mir erstmal an die Spitze der besten Horrorfilme dieses Jahrzehnts (ich habe aber ehrlicherweise auch noch nicht allzu viele gesehen). Cooles Ding, gerne schauen!