TÁR

Definitiv kein Mainstream-Film, speziell und manchmal unausgegoren, aber durchaus von einer beeindruckenden Wucht, einzig und allein dank der alles überragenden Darstellung von Cate Blanchett, der die Rolle auf den Leib geschrieben wurde und welche die Performance mit jeder Facette intensiv abliefert. Der Film ist lange sehr dialoglastig und für das Klassik-Genre mit sehr fachspezifischen Auseinandersetzungen durchzogen, was in der ersten halben Stunde zähflüssig wirkt. Man durchläuft die privaten und beruflichen Dramen aber lange mit einer gewissen Sympathie für die Protagonistin, welche mit ihrer fachlichen Eloquenz, der Kraft, der Obsession, aber auch mit ihrer narzisstischen Arroganz fasziniert. Es ist notabene das bekannte Muster, dass die grossen Künstler zu Exzentrik neigen, mit ihrer karrieregeilen Disziplin die Hierarchie strapazieren und durch Macht ihr Team (in dem Fall das Orchester) unterdrücken. Dies führt zu Realitätsverlust, Wahn und Besessenheit auf Kosten der Menschlichkeit. Die Verstrickungen im zugespitzten Drama mit immer wie mehr öffentlichen Skandalen und privaten Familienproblemen sind zwar gut entwickelt, mit einem Lehrstück, was Macht aus Menschen macht. Aber trotzdem lässt der Film irgendwie überraschend kalt, was auch an der Inszenierung liegt (die Protagonistin ist «kalt» und die Kameraführung auch, was nicht unbedingt Nähe schafft). Zudem verpuffen die Spannungsmomente immer mal wieder in belanglosen Gesprächen. Mir fehlte zeitweilen wirklich die dramatische Zuspitzung. Ich werde das Gefühl nicht los, dass man v.a. psychologisch noch mehr aus dem Stoff hätte machen können. Die Thriller-Elemente sind gut, aber nicht wirklich zu Ende gedacht. Am Schluss wählt Lydia Tár den Exit, macht einen Reset und dirigiert ab jetzt Videospielmusik in Thailand. Naja … was lange bleibt ist die Dominanz Cate Blanchett – sie hätte ihren dritten Oscar mit jeder Pore verdient! Abgerundete 4.
Zuletzt editiert: 10.03.2023 19:08:00