Ja, ich hatte es befürchtet. "The Brutalist" ist hochstilisiertes Ästhetik-Kino und ein Liebling aller Kritiker rund um den Globus. Er wird auch einige der 10 Oscar-Nominationen zweifelsohne abräumen. Aber kann man in das Kritikerlob einstimmen? Bei so überschwänglichen Vorschusslorbeeren ist man meist gewarnt...
Nun, in erster Linie ist die Länge pure Arroganz! 215 Minuten! Ich komme einfach nicht umhin zu vermuten, dass der Regisseur zu reinem Selbstzweck ein Denkmal errichten wollte und es ihm piepegal ist, ob sich jemand diese Länge im Kino antun will (man macht ja offenbar Filme nicht den Zuschauern wegen...). Wäre alles um 1 Stunde kürzer und kompakter, hätte das der filmischen Qualität keinen Abbruch getan. Denn vieles ist durchaus überzeugend: Story und Handlungsbogen, absolut denkwürdige Schauspielleistungen, Setting und die Musik. Es ist eine Art eigenes Kunstwerk, was schon nur der Vor- und Nachspann, die zwei Teile, der Epilog, und die 15-minütige, in den Film reinkonzipierte Intermission zeigt (diese zeigt ein Standbild von László Tóth's Hochzeit inkl. Pausen-Filmmusik). Aber die Filmlänge erschlägt leider so einiges, was sehr schade ist. Es kommt dann noch dazu, dass der Film wenig Wohlfühlmomente hat, sondern wahrlich erdrückend und anstrengend ist, was mit der Länge sehr sehr zäh wird. Obwohl die Geschichte erfunden ist (bzw. angelehnt an die Biografie des ungarischen Architekten Marcel Breuer) wirkt sie in ihrem gesamten Erzählbogen äusserst authentisch, wozu natürlich auch Adrien Brody's unglaubliche Schauspielkunst beiträgt. Er kopiert nicht seine Rolle aus "The Pianist", obwohl ihm seine Erfahrung sicher geholfen hat. Aber sein Schauspiel trägt den Film in einer sehr beeindruckenden Art und Weise. Kritisch wurde offenbar die Tatsache gewertet, dass der ungarische Akzent des Ehepaars Tóth mit KI unterstützend gemacht wurde...
Wie auch immer, Fakt ist: "The Brutalist" braucht BRUTAL Sitzleder, bedient aber viele Themen betr. Einwanderer, reich + arm, zwischen Kunst + Geld, über Themen wie Macht und Kompromisslosigkeit, Schmerz und Verzweiflung, Selbstfindung, Rassismus, und vor allem die Ambivalenz bzw. Zerrissenheit der Juden nach dem Weltkrieg in einer exquisiten cineastischen Reise. 215 Minuten schwere Kost - nur für Fans von langen Filmen zu empfehlen. Der Film ist summa-summarum gut, aber nicht sehr gut, mit deutlichem Abzug für die Länge.
Zuletzt editiert: 02.02.2025 10:11:00