Die Verfilmung dieses Romans ist nicht ganz trivial, da die Vorlage zum Einen ihren Charme weniger aus den ganz großen und spannenden Handlungssträngen zieht, sondern aus einer sehr feinen und empathischen Figurenzeichnung, was für einen Hollywoodfilm, der dazu noch ein eher junges Publikum ansprechen soll, herausfordernd ist. Darüber hinaus erzählt Palacio die Geschichte aus der Sicht mehrerer Kinder und Jugendlichen, wobei sich die Handlungsstränge häufig überlappen und lediglich aus einer anderen Perspektive erzählt werden. Der Film wiederum schafft es ganz gut, diese Herausforderung anzunehmen und eine mindestens ordentliche Adaption auf die Leinwand zu zaubern, die nah am Buch bleibt, sich in vielen kleinen Szenen dann aber leider doch eine Spur kitschiger und eine Spur weniger tiefgründig präsentiert als das Buch.
Losgelöst von der Vorlage bekommt man einen sehenswerten Film über Freundschaft, Mobbing, Mut und die Freuden und Leiden junger Menschen zu sehen, die sich in dem Mikrokosmos Schule zurechtfinden müssen. Die darstellerischen Leistungen der Kinderdarsteller sind gut, Owen Wilson und Julia Roberts spielen sehenswerte Nebenrollen und man gibt dem Stoff immerhin knapp zwei Stunden Zeit zur Entfaltung. Diese Zeit ist nicht immer vollumfänglich spannend gefüllt und wahrscheinlich für Zuschauer, die den Roman nicht kennen, aufgrund der Perspektivwechsel hin und wieder auch etwas verwirrend. Aber es gelingt schon gut, den Figuren Leben einzuhauchen und Empathie für die Protagonisten zu wecken. Das ist gut gemacht und mit das wichtigste bei dieser Geschichte.
Und so ist "Wunder" schönes, herzerwärmendes Kino, das zeitweise doch etwas aufpassen muss, nicht zu viele Hollywood-Klischees zu bedienen, sich über weite Strecken aber einigermaßen am Riemen zu reißen weiß. Auggie ist etwas weniger "entstellt" als im Buch, etwas weniger witzig und etwas weniger vielschichtig, aber unterm Strich immer noch ein Kind, dem man gerne durch dieses knappe Jahr erzählte Zeit folgt. Wer also herziges Familienkino haben möchte, bei dem man das Hirn nicht komplett ausschalten muss, darf hier gerne (aktuell unter anderem bei Netflix) reinschauen. Wer weniger Kitsch und mehr Tiefgang haben will, dem sei hier aber wirklich der Roman empfohlen.
Gute 4.